Wege zum Glück – Die Räume der Anna Lehmann-Brauns

2012, Jan 15th

Anna Lehmann-Brauns, Mandarin Kasino, Hamburg, 2006

Der Lack ist ab. Anna fuhr von Berlin nach Hamburg nach Moskau und Karlsbad, sie war in Kiew, Montreux und Davos.

Überall lassen sich Orte finden, die früher etwas Verheißungsvolles hatten, die an gelebtes Leben denken lassen, das Glück vergangener Tage heraufbeschwören: durchtanzte Nächte in Discos, die im Westberlin der 80er angesagt waren, Abenteuer in verschwiegenen Hotelzimmern mit Blick auf die Lichter der Großstadt. Das einsame Herumsitzen an einer Bar (Hopper lässt grüßen) und vom Band wird James-Last-Musik gespielt, unterdrückte Leidenschaften 60jähriger Kurgäste, die im Karlsbader Grandhotel abgestiegen sind, aber auch das Kinderglück im Zirkus Probst mit Artistik, Großtieren und Musik.

Anna Lehmann-Brauns, Tiergarten, Berlin, 2006

Alles in diesen leergeräumten stillen Sichten ist Imagination. Es gibt keinen Tag, die Nacht ist verheißungsvoll, einsam und grausam. Das Kunstlicht auf den Bildern umhüllt Schäbiges gnädig. Bei Anna Lehmann-Brauns wird nichts bloßgestellt, kein Schleier wird gelüftet und es wird auch nicht der Versuch einer Objektivierung unternommen. Sie lässt uns mit ihren großformatigen Aufnahmen von Innenräumen an den Ausdünstungen von Wänden, Türen und Sitzmöbeln teilhaben, die viel gesehen haben und altersmilde von früher erzählen. Es sind Bühnenräume, Vorstellungsräume. Es hat etwas von Seeleninterieur. Mich erinnern die Bilder an Zimmer, die sich in den Filmen von David Lynch hinter der Handlung auftun, in denen merkwürdiges passiert: lachende Zwerge treten auf oder jemand lässt Espresso aus seinem Mund in ein bereitgehaltenes Taschentuch fließen. Es sind Räume hinter den Räumen und niemand wird etwas aufführen, weil man mit sich allein ist. Es ist die Stille, die Annas Bilder so faszinierend machen.

Anna Lehmann-Brauns, Watergate Club, 2007

Anna hat bei Joachim Brohm in Leipzig studiert, wie Ulrike Kolb. Wir kennen uns seit den Anfangszeiten des Studiums Mitte der neunziger Jahre. Anna hat ein Lebensthema gefunden das von vier Wänden, Decke und Boden begrenzt wird und dem sie treu bleibt.

Für ihre ersten Arbeiten hat Anna Modelle gebaut. Erinnerungsräume, die Bilder für Personen und die Beziehungen zu Ihnen stehen. So heißen die Bilder Sebastian, Mamma, Niko + Kerstin. Eigentlich sind es gebaute Portraits ohne den Portraitierten. Interessant, einen Raum zu bauen, der so subjektiv ist und der soviel erzählt, dass ein Gesicht nicht nötig ist. Anwesenheit in Abwesenheit. „Es sind tatsächliche Bühnen der Erinnerung, gebaut nach Kindheit und Jugend der Fotografin“, heißt es einem Text von Miriam Dreysse über sie „durch ihre Modellhaftigkeit in die Schwebe gebracht zwischen Wirklichkeit und Fiktion – so wie jede Erinnerung mehr ein Erfinden denn ein Wiederfinden ist.“

Anna Lehmann-Brauns, Oma Kessler, 2006

Anna Lehmann-Brauns, Still Love You, 2007

Der Schritt von gebauten zu echten Räumen erscheint dann nur folgerichtig und auch der weitere Schritt von den echten Räumen hin zu Filmkulissen, die in ihrer Unwirklichkeit den „echten“Räumen um nichts nachstehen.

Vielleicht wird dem Serienzuschauer die imitierte Wirklichkeit intensiver vorkommen als die Banalität vor der Tür und das seelische Innenleben der Julia aus „Wege zum Glück“ vertrauter als das von Nachbarin Frau Krause an der nächsten Tür.

Monaden sind wir, durch Vorstellungswelten anderer in Vorstellungen gedrängt, die nicht die unseren sind. Gefangen in Scheinwelten in denen es kein Tageslicht gibt. Vielleicht gibt es ja nicht mal einen Tag und die besten Erinnerungen sind die intensivsten Imaginationen.

Je länger man Annas Bilder betrachtet, desto mehr beschleicht einen das Gefühl die heitere Melancholie könnte jederzeit ins Bittere kippen.

Es sind nur Oberflächen. Der Raum hinter den Bildern ist der davor. In jedem Betrachter immer wieder neu.

Anna Lehmann-Brauns, Julia – Wege zum Glück 1, 2010

Anna Lehmann-Brauns, Julia – Wege zum Glück 2, 2010

Bei Hantje Cantz ist 2007 das äußerst sehenswerte Buch Sun in an Empty Room erschienen. Zusammen mit Ulrike Kolb hält Anna Lehmann-Brauns in unserer Reihe BerlinWinterWokshops den Workshop I see a red door and I want to paint it black über Raum und Interieur in der Fotografie. Anmeldung bis zum 27. Januar 2012.

Göran Gnaudschun

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