Freitag in Dresden

2012, Mrz 12th

Photos: Kai-Olaf Hesse, aus 05/09 und 92/05

Ab dem 23. März und bis 12. Mai 2012 zeigt die Dresdner Galerie bautzner69 Arbeiten von Kai-Olaf Hesse unter dem Titel Phasenverschiebung
Die Eröffnung findet am Freitag den 23. März 2012 ab 20 Uhr statt.

Kai Olaf-Hesse ist ein Vertreter der zeitgenössischen Fotografie. Zugleich ist er freischaffender Buchgestalter und lebt seit 2006 in Braunschweig. Sein OEuvre lässt sich am ehesten als sozial-historische oder sozial-dokumentarische Landschaftsfotografie charakterisieren. Dabei ist vor allem die vom Menschen geprägte Kulturlandschaft moderner Großstädte gemeint. Hesses Bildsprache oszilliert zwischen einem künstlerisch-freien und einem dokumentarischen Ansatz. Dadurch bleibt ausreichend Raum für eigene Entdeckungen.

Eckpunkte der Ausstellung Phasenverschiebung bilden Ausschnitte aus den, 2009 im Berliner ex pose verlag erschienenen Editionen 92/05 und 05/09 von Kai-Olaf Hesse. Die beiden Serien sind in kleinen Gruppen von ein bis drei Bildern zusammengefasst und auf horizontalen Bildachsen assoziativ auf der Wand angeordnet. Durch das Aufgreifen der Prinzipien von Linearität und Gegenüberstellung wird der ursprüngliche Kontext des Fotobuches deutlich. Doch die Wirkung der Aufnahmen ist eine andere.

Die Titel der Editionen geben Auskunft über den jeweiligen Entstehungszeitraum der Fotografien und können somit chronologisch gelesen werden. Während Kai-Olaf Hesse 92/05 analog in klassischem Schwarzweiß fotografierte, zeigt sich 05/09 digital und in Farbe. Während die Bilder der ersten Serie als Titel nur ihre Film- und Bildnummern tragen, sind es in der zweiten Serie die Namen der Dateien – ein Verweis auch auf archivarische, retrospektive Aspekte der Arbeit. Das Jahr 2005 markiert für Hesse nicht nur den Wechsel zur Digitalkamera. Zur gleichen Zeit gründet er auch eine Familie. Verändern solche Einschnitte die eigene Bildsprache und deren Wahrnehmung? Und wenn ja, inwiefern? Mit Verweis auf diese Fragen sind die beiden Serien eine Art Selbststudie des Fotografen, eine mediale Befragung und zugleich ein Appell zum selbstständigen Sehen.

Gegenübergestellt werden den Bildern aus den Editionen Auszüge aus dem Projekt Bilder_in_Berlin, welches Hesse nach seiner Rückkehr aus Amerika in den Jahren 1998 bis 2006 fotografierte. Damals war in Berlin noch alles im Umbruch, Straßen wurden umbenannt und die mentalen Inhalte jeglichen Stadtraumes überformt und neu interpretiert. Demzufolge ist auch diesen Fotografien das Thema Wandlung immanent. Die Bilder_in_Berlin wurden im Gegensatz zu denen der Serien 92/05 und 05/09 bereits in Ausstellungen gezeigt. Zuletzt 2009 im Goethe Institut in Singapur und im Kunstraum berg19 in Berlin-Mitte. Die Titel der einzelnen Aufnahmen weisen auf ihren Entstehungsort hin. Im Gegensatz zu den Editionen stehen die Mittelformate stärker für sich und hängen frei verteilt an der Wand. Bezüge sind dennoch vorhanden: Über ihre Anordnung erzeugen die Einzelbilder neue Assoziationen, verbinden Geschichte und Gegenwart oder entzweien sie.
Die Ausstellung fügt ein Bild der Gesellschaft zusammen, die nur indirekt in den Spuren ihrer Anwesenheit präsent ist. Ihre Protagonisten zeigen sich nur selten. Sie bevorzugen es, in Schatten oder auf Plakaten, in musealen Kunst-werken oder gebauter Umwelt, in Gepflanztem oder eben auch in Zerstörtem zu verweilen. Kai-Olaf Hesses Fotografien überdauern so die Zeit als „Zitatschatz des kollektiven Gedächtnisses“, wie es Andreas Krase einmal so schön formulierte. Die Bildkonvolute sind durch Ausschnitte, Fragmente und einen immer wieder verstellten Blick durch Gitter, Zäune, Baugerüste, Planen und Baumzweige geprägt. Das Foto als Fenster in eine Stadtwelt, in der alles Lebendige nur domestiziert werden kann und soll. Hesse selbst würde sich jedoch nur mit einem Augenzwinkern als Kulturpessimist bezeichnen. Ihn beschäftige vielmehr die Frage, warum die Dinge heute so aussehen, wie sie aussehen.

Die „Erfahrung des Sehens“ ist nach Aussage von Kai-Olaf Hesse das Wichtigste am Fotografieren. Was danach kommt, stünde an zweiter Stelle. Die Kamera dient ihm als Notizzettel, als „Rekorder“, um scheinbar gewöhnliche Alltagssituationen und visuelle Fundstücke festzuhalten. Somit schreibt er sich einem Großstadtpoeten gleich in das fotografische Material ein – wie auch immer es geartet ist. Der Fotograf sieht die Welt so: „Zeichen werden zu Worten, Bilder zu Sätzen. Und ein Projekt ist dann ein ganzer Text.“ Der Text der Stadt ist für ihn der Zufall und die gezeigten Bilder sind folglich meist intuitiv entstanden. Kai-Olaf Hesse sammelt seine, aus einer bestimmten Situation heraus gesehenen, wohlkomponierten Momentaufnahmen und trägt sie bei sich wie ein Tagebuch, gefüllt mit den eigenen, ganz persönlichen Erinnerungen und Gefühlen an das Erlebte. Katja Dannowski

Öffnungszeiten: Di 10–12, Do 18–20, Sa 15–18 Uhr
Die Ausstellung wurde gefördert durch die Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz

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